Ein Entwurf zur Befahrensänderung der Fulder-/Ilmen Aue des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (Link) hat zu einer Flut von ablehnenden Stellungnahmen von Verbänden und Vereinen, Politikern und Kommunen, Anliegern und vielen Einzelpersonen geführt.
Zum Ende der Einreichungsfrist (11.04.) liegen allein bei der Interessengemeinschaft Inselrhein Kopien von 65 kritischen bis wütenden Stellungnahmen gegen den Ministeriums-Entwurf vor. Zudem lehnen in einer gemeinsamen Stellungnahme Landrat Sandro Zehner [Rhein-Taunus-Kreis, CDU], der Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch [Rheingau-Taunus/Limburg, CDU] sowie der Landtagsabgeordnete Ingo Schon [Eltville, CDU] den aktuellen Referentenentwurf zur Änderung der Naturschutzgebietsbefahrensverordnung (NSGBefV) entschieden ab, wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht.
Treiber dieser Protestwelle ist die Interessengemeinschaft Inselrhein, genauer: Ihre Initiatorin und Moderatorin Birgit Fluhrer, Vorsitzende des Rüdesheimer Yachtclubs (RYC). Sie wurde nicht müde, Wassersport-Verbände und -Vereine, Anlieger, Politiker und Kommunen zu aktivieren, in einzelnen Stellungnahmen gegen die Vorschläge des Ministeriums Front zu machen. Das ist ihr offenbar mit großem Erfolg gelungen.
Basis der Protest-Kampagne ist eine Stellungnahme der Interessengemeinschaft Inselrhein, die in einem kleinen Team erarbeitet wurde. Die zwölfseitige Stellungnahme begründet im Detail, warum der Vorschlag des Ministeriums abzulehnen ist. Die wesentlichen Argumente daraus sind, dass sich das vom Ministerium zur Wassersport-Nutzung vorgeschlagene Gebiet dafür gar nicht eignet („Alibi“), die Heranziehung eines „Gutachtens“ über Störung von Vögeln, das weder wissenschaftlichen Anforderungen noch der Realität in diesem Gebiet entspricht, sowie die mangelnde Berücksichtigung der Interessen von Wassersport-Vereinen und Anliegern vor Ort, es habe nicht einmal eine Befahrung des Gebiets gegeben. Besonders ärgerlich ist, so Mitglieder der Interessengruppe Inselrhein, dass das zuständige Verkehrsministerium den Vorschlag der nicht zuständigen SGD Süd übernommen hat, deren Vorschlag schon im Dezember 2024 vehement abgelehnt worden war.
Zitate aus den Stellungnahmen
Die allermeisten Schreiben gegen den Ministeriums-Entwurf stützen sich auf die Stellungnahme der Interessengemeinschaft Inselrhein und übernehmen sie voll oder in wesentlichen Argumenten. Darüber hinaus gibt es jedoch auch weiter gehende Forderungen und sehr persönliche Anmerkungen. Einige Zitate aus den der Interessengemeinschaft Inselrhein in Kopie vorliegenden Stellungnahmen:
„… Ich selbst befahre das gesamte Gebiet des Inselrheins schon seit 70 Jahren, insbesondere die Gewässer vor meiner Haustüre, dem Rüdesheimer Hafen. Ich kenne die Gebiete als Paddler, Ruderer, Segler und jetzt im Alter als Motorbootfahrer. In all den Jahren konnte ich hautnah erleben, wie der Lebensraum Wasser, hier der Inselrhein, von den verschiedensten Vogelarten, Wassertieren und Pflanzen in Koexistenz mit den Menschen genutzt werden kann. Steigende Populationen bei der Fauna in diesem Gebiet belegen doch, dass Wassersport auch im Einklang mit der Natur möglich ist. …“
„ … Wir, eine 4-köpfige Familie, nutzen seit Jahren mit unserem Boot die Aue, um zu relaxen und die Natur zu genießen und zu beobachten. Wir halten uns an die vorhandenen Regeln und wollen einfach nur unser Wochenende genießen. Wir stören keine Tiere, betreten kein Land oder Insel, hinterlassen keinen Müll – im Gegenteil: Sehen wir Müll im Wasser treiben, wird es von uns aus dem Wasser geholt und ordnungsgemäß zu Hause entsorgt. …“
„… Es werden jedes Jahr mehr [Vögel], aber nicht nur von einer bestimmten Art, sondern in ihrer Vielfalt. So konnten wir im Sommer 2024 erstmals mehrere Pirole in ihrem gelben Federkleid in unmittelbarer Bootsnähe im Uferbereich beobachten, bereits mehrfach haben wir dort in Sichtweite Eisvögel entdecken können. Unzählige Schwäne, Kormorane, Enten, Gänse, Milane und Singvögel komplettieren die Schar in unmittelbarer Nähe. Auch Nutrias, seltener Rehe und Wildschweine und zahlreiche Fische sind im tieferen Gewässer zu sehen.
Meine Frage daher: Wenn sich die Wasservögel, geschützte Arten und die Tierwelt allgemein durch unsere Anwesenheit und unser Freizeitverhalten und das der anderen, gleichzeitig anwesenden Wassersportler, gestört fühlten – warum sind sie dann alle in unmittelbarer Nähe anzutreffen, teilweise so nah, dass man sie mit bloßem Auge erkennen und bestimmen kann? …“
„ … Darüber hinaus bitte ich Sie, positiv zu überprüfen, das Befahrensverbot der Auen in der kalten Jahreszeit aufzuheben.
Begründung:
– Es rasten nach Aussagen von Vogelkundlern mittlerweile im Winterhalbjahr weit weniger durchziehende Vögel als noch vor wenigen Jahren in den Rheinauen.
– Im Winterhalbjahr sind kaum noch Boote von Wasser- oder Freizeitsportlern unterwegs.
– Die Annahmen der SGD von Störungen brütender Vögel durch Wassersportler entfallen im Winterhalbjahr völlig – unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt, der ja in der Stellungnahme der Interessengemeinschaft Inselrhein zu Recht angezweifelt wird.
In Anbetracht des notwendigen Prüfaufwandes Ihrer Behörde gegenüber den Stellungnahmen der Interessengemeinschaft Inselrhein und vieler anderer, empfiehlt sich eine ganzheitliche Betrachtung, bei der auch das Befahrensverbot im Winterhalbjahr einbezogen und nach meinem Kenntnisstand heute guten Gewissens als obsolet betrachtet werden kann …“
Kommentar:
Der Verteiler, von dem das Ministerium für Digitales und Verkehr Stellungnahmen zu seinem Vorschlag erwartet, umfasst knapp 40 Adressaten. Darunter natürlich auch Naturschutz-Organisationen, aber weder politische Interessenvertreter oder Kommunen, noch Anlieger mit wirtschaftlichen Interessen (Bootsschulen, Tourismus-Unternehmen).
Neben inhaltlichen Fahrlässigkeiten des Entwurfs ist auch das schlampig gemacht. Oder – und das sollte man besser gar nicht unterstellen wollen: Hebt das Ministeriums-Vorhaben nur darauf ab, einen Konflikt zwischen Wassersport und Naturschutz in diesem Gebiet zu fokussieren? Das dient niemandem und schon gar nicht den Tausenden Anliegern und Besuchern dieser einzigartigen Inselrhein-Region. Höchste Zeit also, dass sich die Interessengemeinschaft Inselrhein über den Wassersport hinaus auch um andere Betroffene dieses Gebiets bemüht.
Und auch das fällt auf: Erneut kennen wir keine Stellungnahmen linksrheinischer Politiker und Politikerinnen. Zugegeben, vielleicht haben sie uns nicht in cc genommen.
Claus von Kutzschenbach, Pressesprecher Interessengemeinschaft Inselrhein